Trancewerkstatt Adventkalender - 2. Dezember "Die Oberösterreicherin und die Wiener"

Trancewerkstatt Adventkalender - 2. Dezember "Die Oberösterreicherin und die Wiener"

2. Dezember - der Adventkalender der Trancewerkstatt öffnet seine zweite Tür:
"Die Oberösterreicherin und die Wiener"

Persönliches von mir - aus der Serie: "Geschichten können die Welt verändern!"

Seit ich denken kann beschäftigen mich die Wiener. Warum auch immer hat es mich immer nach Wien gezogen. Wien, mein Lichtblick im stickigen Linz, Wien meine große Liebe, geprägt durch die „Constantin-Filmproduktionen“ und meine Besuche bei meiner Tante im kaiserlichen Laxenburg. „Wien, Wien nur du allein, sollst die Stadt meiner Träume sein…“. Ja, so war das. Ich träumte von Wien und plötzlich war es Realität. Ich fand mich eines Tages wieder mitten in Wien, in der Josefstadt in einem Studentenheim. Aber – weit und breit keine Wiener. Natürlich lebten Wiener in den Häusern rund um das Studentenheim, aber nachdem er Wiener per se kein weltoffener Mensch ist, lernt man ihn nicht kennen – nicht so wie die Serben. Die lernt man auch in Wien kennen, weil sie eine „Lebensfreude“ in sich tragen. Das hat der Wiener nicht. Zumindest spür ich es nicht. Das war für mich enttäuschend. Wieder nur Oberösterreicher, mit denen ich mich befreundete, traute sich mal ein Wiener zu einem Fest, dann empfand ich das als etwas ganz Besonderes. Dann wurde getuschelt: „Oh, da ist ein Wiener“ – mitten in Wien, eine Aufregung machte sich breit, jeder buhlte um seine Aufmerksamkeit. Ein echter Wiener wurde von mir auf einen Podest gehoben, ich fühlte mich geehrt, dass „er“ oder „sie“ mich beachtete. So als wäre der Kaiser selbst anwesend.

Trotzdem – ich genoss die Stadt und lernte die Österreicher kennen, zwar keine Wiener, aber immerhin, Tiroler, Vorarlberger, Niederösterreicher, Kärntner. Ja, wenn man sich einlässt auf Wien, dann lernt man Österreich und die Welt kennen. Das liebe ich in Wirklichkeit an Wien.

Vielleicht war es aber auch nur die pubertäre Rebellion gegen meine Eltern, die, mich nach Wien trieb. Wie es sich für typische Oberösterreicher (mein Vater ist Halb-Ukrainer und meine Mutter eine echte Waldviertlerin ) nun mal gehört, kein Hehl draus machten, wie sehr sie Wien und die Wiener als Kopf von Österreich ablehnten. Beeinflusst durch mein Elternhaus, die mehr das „Bayrische“ verherrlichten, weil bäuerlicher, bodenständiger, wirtschaftlich sicherer und christlicher, fällt es mir natürlich trotz aller Liebe zur Wiener Seele immer noch schwer, mich vollends Wien und den Wienern hinzugeben. Weil man muss das mal aushalten unentwegt gegen eine Wand zu rennen. Auch wenn die Stadtmauer schon lange gefallen ist, man hat beim Wiener immer das Gefühl, nicht aussprechen zu dürfen, was man sich tatsächlich denkt. Hinterfragen tut er nicht gerne, der Wiener. Der Wiener umgibt sich gerne mit der Aura des „Rätselhaften“. Nachdem meine persönliche Leidenschaft darin besteht, die menschlichen Rätsel zu lösen, zu durchleuchten und zu „bescheinen“, mag er meine Aura nicht so gern, der Wiener. Er schweigt und trinkt dazu ein Glaserl Wein, um mir ja nicht zu nahe zu kommen. Dass ich als Biertrinkerin den Weinkult nicht verstehe, dämmerte mir erst, als ich zwischen den Weinbergen wohnhaft wurde.

Heute weiß ich, die echten Wiener verehren einen Heiligen/Heilige, den ich lange nicht als solchen erkannte. Des Wieners echte Liebe ist der Italiener/Italienerin. Dass das nicht zusammenpassen kann, eine Oberösterreicherin, die vom Wiener träumt, der aber auf ewig in jeder Flasche Wein der verflossenenen Urlaubsliebe aus Italien nachträumt, dass daraus keine echte beiderseitige Liebe entstehen kann, das liegt auf der Hand.

Seit ich diese Erkenntnis gewonnen habe, habe ich meinen Frieden mit dem Wiener gefunden. Dass ihm einfach nichts recht ist, außer ein Glaserl Wein, damit muss man leben lernen. Ich liebe Wien, weil ich bleiben darf. Ich liebe Wien, weil ich sichtbar werde. Ich liebe Wien, weil mich die Wiener einfach lassen. Das ist schön, das muss man schätzen. Dass die Liebe aber auf ewig einseitig bleibt – damit muss ich leben. Vielleicht habe ich auch deshalb einen Oberösterreicher an meiner Seite – er beginnt aber auch schon Italien nachzutrauen… sollte mir das zu denken geben?  Oder mein Mann ist einfach besser in Wien angekommen, als ich.

Ich beginne Wien wieder zu lieben, tatsächlich. Ich träumte mich während Corona nach Oberösterreich. Ich wollte aussteigen, musste wieder meine Wurzeln spüren. Ja, die Oberösterreichischen. Wien hat Adolf Hitler nicht gewollt, ihn nicht groß werden lassen. Groß wurde er in München. Das erkannte ich. Vielleicht habe ich deshalb eine Liebe für Wien und nicht für München entwickelt. Vielleicht aber wütet in mir einfach nur der „Geist“ der Kaiserin Elisabeth. Eine bodenständige Biertrinkerin, die wegen der Liebe nach Wien ging. Aber nie einheimisch wurde. Sie hatte zu viele Gedanken von einem friedvollen Europa im Kopf, schließlich konnte sie nur reisen um es wieder in Wien auszuhalten. Wie soll man es aushalten, hier in Wien, als weltoffene, intelligente Frau, deren Aufgabe im Leben die „Völkerverständigung“ ist? Sie ließ sich täuschen vom Franzl, der ewig mit seinen Gedanken in Italien lebte und nur selten seinen Schreibtisch in Wien verließ – außer fürs Abschießen von Wildtieren im Lodenmantel (auch hier gibt es sehr viele Parallelen zu Wienern heutzutage). Die Geschichtsbücher schreiben, dass Kaiser Franz Josef nur einmal persönlich am Schlachtfeld war – damals in Solferino!!! Bella Italia war verloren. Dieses Trauma sitzt immer noch tief. Auch das ist Wien. Ich denke für mich ist Wien mittlerweile ein Ort, an den ich immer wieder gerne zurückkomme. Wien hat die Tore geöffnet, die innere Stadt ist dank Franz Josef keine „Festung“ mehr, aber weltoffener wurden sie deshalb nicht, die Wiener. Veränderung ist nicht ihr Ding. Aber dennoch akzeptieren sie die Veränderung – dann, wenn sie den Flaschengeist besingen und in ihrer Melancholie versinken. In der Sehnsucht, nach der „guten alten Zeit“, die keine war.

Man muss da aussteigen, will man in Wien wirklich leben. Ich fühl mich da mehr mit der Kaiserin verbunden. Sie und auch ich hatten die Möglichkeit, die vielen Wienerinnen verwehrt wurde – sie konnte flüchten. Reisen. Sich immer und immer wieder davon überzeugen, dass Wien nicht die Welt ist, aber trotzdem ein beständiger Teil der Welt, für den es sich irgendwie lohnt zurückzukehren. Ich hab das bodenständige in mir und meine Träume sind daher auch eher von der bodenständigen Sorte. Dadurch weiß ich, das Glück ist kein Vogerl, sondern das Glück zieht man an. Dann, wenn man authentisch ist, gut verwurzelt im Leben steht und träumen kann, ohne berauscht zu sein. Nicht die Träume der guten alten Zeit in sich wirken lässt, sondern aktiv die Zukunft herbeiträumt.  Dann passiert es, dass plötzlich, mitten in Hernals, in einem Kaffeehaus ein Geist um dich herumschwebt und dir wohlgesonnen ist. Dich sieht. Mitten in Wien. Das ist mir passiert, auch das ist Wien: Ich saß eines Tages in einem Kaffeehaus und stimmte mich wieder einmal auf die Wiener Seele ein. Ich schrieb einen Text, ich war versunken in mir und meinen Gedanken. Als ich zahlen wollte, sagte die Kellnerin: „Ihr Kaffee ist schon bezahlt, der Herr, der eben hinausging.“ Und er war verschwunden, ich hatte ihn nicht bemerkt und er wollte nicht, dass ich wusste, wer er war, es war sicherlich kein Bekannter. Auch das ist Wien. Manchmal lassen sich die Wiener hinreißen zu geisterhaften Gesten und es fällt einem plötzlich das Herz eines Wieners zu, ohne dass man es greifen kann. Dann genieße den Moment, er ist kostbar, aber nicht beständig. Denn der Wiener ist gerne unnahbar.

 

Eure

Claudia Füreder