Trancewerkstatt Adventkalender - 4. Dezember "Die heilige Barbara in Pakistan"

Trancewerkstatt Adventkalender - 4. Dezember "Die heilige Barbara in Pakistan"

4. Dezember - der Adventkalender der Trancewerkstatt öffnet seine vierte Tür:
"Die heilige Barbara in Pakistan"

Persönliches von mir - aus der Serie: "Geschichten können die Welt verändern!"

Heute in der Früh wachte ich auf mit dem Gedanken an die Heilige Barbara. Irgendwie spießt sich seit jeher alles, was ich über sie gelesen habe. Ich dachte immer, ich mag sie nicht. Dabei wurde mir klar, dass nicht sie es ist, die ich nicht mag, ich mag die Welt nicht, in der sie lebte. Sie erinnert mich an Pakistan. Und in Pakistan erlebte ich, was es bedeutete, früher in Europa zu leben. Islamabad – ein halbes Jahr meines Lebens. Die alltägliche Wahrheit, die ich dort erlebte, ließ mich erspüren, was es bedeutet, in einer höchst traumatisierten Gesellschaft zu leben, die alles verdreht zum eigenen Vorteil. Dem Land, wo die Gesetze der „gewalttätigen, brutalen verdrehten willkürlichen Wahrheiten der Männlichkeit“ den Alltag beherrschen. Für Frauen und Männer – die Kraft der Stammesfeden, wo die Ehre eines „männlichen Anführers über allem steht, wo nicht nur die Frauen die „Opfer“ sind, sondern alle. Und gleichzeitig auch alle Täter. Auch die Frauen.
Ich lernte dort meine wichtigste Lektion um als Traumatherapeutin Fuß zu fassen. Auch in Europa herrscht noch dieses Denken. In abgeschwächter Form, keine Frage, aber überall auf der Welt – außer bei wirklich naturnahen Völkern. Denn sie, erleben noch Kraft der „Mütterlichkeit“ und den Respekt vor allem und jedem (auch den Felsen, Steinen, Pflanzen, Tieren, etc.). Sie erkennen in allem und jedem ein mitfühlendes Wesen, weil sie sich selbst als mitfühlende Wesen wahrnehmen, überall sonst herrscht und beherrscht ein verdrehter „Macht und Kontrollkult“ die Regionen.
Wir in Europa sind um nichts besser. Diese Einsicht könnte uns helfen. Ich finde die vielen Skandale rund um FIFA haben alles sichtbar gemacht – alles. Wenn man es sehen will, von beiden Seiten, dann sieht man, wie die Welt funktioniert. ALLE haben zu gleichen Teilen mitgespielt. Macht ist alles. Sie spürten nicht einmal mehr, was sie da taten. Sie dachten, sie wären „im Recht“, wären „Unantastbar“. Und das ist es eigentlich, woran mich die Geschichte rund um die Heilige Barbara erinnert. Ihr Vater dachte, er wäre „Im Recht“, als er sie foltern ließ, hatte Freude daran, dass sie gequält wurde, weil sie sich nicht seinem Willen beugte. Wie geht das, wenn man seine Gefühle zulässt? Nur weil seine intelligente, pubertäre Tochter nicht seinen „Glauben“ teilte und sich den Männern verweigerte, die er vorschlug? Egal, ob es sich tatsächlich um den christlichen Glauben handelte – es ist eine Legende. Mit verdrehten Wahrheiten aus der Perspektive einer männerdominierten Gesellschaft.

Der Kult um die Heilige Barbara erwachte erst im Spätmittelalter im deutschsprachigen Raum – in einer Zeit, wo Zustände wie im heutigen Pakistan herrschten. Ich denke, sie war eine Schamanin, eine Seherin, denn oft wird sie als eine der „Heiligen drei Madeln“ dargestellt, die eindeutig in die Zeit vor der Christianisierung zurückgehen. Als die drei „Göttinnen“, die das Schicksal der Welt weben. Regional mit unterschiedlichsten Namen zu finden.
Dies alles fiel mir wieder ein, als ich an die Heilige Barbara dachte. Und wir verehren sie unter anderem als „Heilige der Mädchen und Sterbenden“! Welche brutale Ironie!!!!

Ich liebe zwar den Brauch, einen Barabara-Kirschzweig abzuschneiden und ihn in voller winterlicher Pracht, auch ohne Blüten wirken zu lassen – als Zweig, der er ist im Winter – blattfrei, knorrig, zauberhaft nackt. Doch auch dieser magische Brauch hat für mich den kindlichen Reiz verloren, als ich als Erwachsene plötzlich von allen möglichen Seiten Tipps bekam, wie man den „Zweig“ austricksen konnte, um ihn zu seiner wahren „Berufung“ zu drängen – nämlich am Tag der Geburt des Mannes gefälligst zu Erblühen – die Aufgabe der Frauen. Möglichst nicht selbständig dann erblühen, wie es dem persönlichen natürlichen Rhythmus entsprechen würde, sondern dann, wenn der Mann es wünscht. Um ihm beizustehen als blühende Begleiterscheinung, als schöner „Aufputz“ ohne Willen, ohne Gefühle, ohne alt und weise werden zu dürfen. Sie ist zuständig dafür, dass sich das Glück, der Wohlstand, die Wahrheit des Mannes auch im nächsten Jahr erfüllen würden.
Und was passiert mit dem Zweiglein (der blühenden Jugend der Frau)? Es wird abgeschnitten von seinen Wurzeln, von seiner Natur, von seiner Verbundenheit zu den Müttern und zum Rest der Welt. Im besten Fall landet es im Biomüll, um wenigstens noch im nächsten Leben den Nährboden für die nächsten Generationen zu ebenen.
Tja, darin sind wir Meister – alle auf der Welt, die den magischen Satz in sich aufgenommen haben, die „Wahrheit der Männlichkeit“: MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN! Heißt: Kontrolliert, bemächtigt euch an allem und jedem, das ist das Gesetz! Lasst euch nicht unterkriegen von den Gefühlsduseleien der Weiber, die spüren und fühlen und das Leben gebären. Vereinigt euch in Männerbünden, lasst sie nicht hinein, die Weiber! Das ist es doch, was wir in WAHRHEIT lieben. Die selbst konstruierte Wahrheit aufrechtzuerhalten, koste es, was es wolle. Ich sah sie, die aussondierten Frauen in Pakistan, mit Brandwunden vor den Krankenhäusern abgelegt, wie verblühte Zweige. Wenn in Pakistan eine junge Frau nicht mehr in die Familie des Mannes passt und die Schwiegermutter befindet, dass ihr Sohn keine „gute Frau“ abbekommen hat, dann explodiert der Herd. Einfach so. Denn sie sind selbst schuld, wenn sie nicht mal den Herd im Griff haben. Und dann kümmert sich keiner. Sie werden tatsächlich weggeworfen und ihrem Schicksal überlassen. Ein Glück, wenn ein Krankenhaus erbarmen und genug Geld hat, sich zu kümmern. Ich konnte es nicht glauben. Aber ich habe in einem Krankenhaus in Islamabad, dem Shifa International Hospital, als Psychologin gearbeitet und der mir vorgesetzte Psychiater erklärte mir die Realität in Pakistan. Wenn du einmal dieser Frau – der heiligen Barbara in Person, in die Augen geblickt hast, dann, wenn du gerufen wirst – weil es sich auch um eine Frau handeln kann, die aus dem „Westen“ kommt, dann vergisst du das Schicksal der Heiligen nicht. Ich sprach mit einer Amerikanerin, die einen Pakistani geheiratet hat. Sie hatte das Glück, dass ihre alkoholkranke Mutter in den USA ihr trotzdem den Flug nachhause finanzierte. Sie dachte die Liebe ihres Mannes würde sie retten – er liebte sie, das versuchte sie mir tausende male klarzumachen. Aus ihrer Sicht war es die Schwiegermutter. Und der Mann war verpflichtet, seine Mutter zu lieben. Dann weißt du selbst nicht mehr, was du glauben sollst, nach so einem Gespräch und du merkst, hier in Österreich interessiert diese Geschichte niemanden. Schweigen. Denn, die Amerikanerin ist ja auch selbst schuld, da sie doch einen Pakistani geheiratet hatte… das bekam ich als Antwort… Dann beginnst du zu schreiben, zu schreiben, zu schreiben, um die Welt zu verändern. Wenn du Glück hast, liest es jemand, der nicht in die Ablehnung geht, der das Schicksal von der Heiligen Barbara auch als das eigene erkennt und sich diesem Schicksal nicht unreflektiert hingibt, sondern hinterfragt, aufdeckt, es hinausschreit, es sichtbar macht, das Schicksal vom blühenden Kirschzweig.
Und die Amerikanerin? Ich schicke ihr in Gedanken immer und immer wieder die Kraft der heiligen Barbara, der Patronin der Mädchen und Sterbenden, dass sie ihr Hilft, auch ihr Schicksal neu zu weben.

Eure
Claudia Füreder

Anmerkung:
Für mich bedeutet Advent: Persönliche alte, vergammelte, faulige Gedanken auszusortieren und junge, frische, reife Gedanken in mir zu spüren, zu fühlen und zu verinnerlichen um sie dann frisch gewaschen und voller Strahlkraft in die Welt zu tragen. Ich bin viel gereist in meinem Leben – manchmal kopflos aber sehr oft auch wirklich mit dem Herzen. Und davon, von meinen Herzensbegegnungen mit Menschen aus anderen Kulturen möchte ich euch erzählen. Bitte zu beachten, dass ich meine Texte rein aus meiner ganz persönlichen Perspektive schreibe, ohne jeglichen Anspruch auf „Wissenschaftlichkeit“. Wie wir die Welt wahrnehmen, hat nur mit uns selbst zu tun und damit, wer wir sind – das möchte ich durch meine Texte erlebbar machen. Wir sind fühlende Wesen und begegnen fühlenden Wesen. Es geht nicht um „Gut und Böse“ oder „Richtig und Falsch“, sondern rein um ein Sichtbarmachen meiner ganz persönlichen Wahrnehmung, die, so meine ich ebenso bedeutsam ist, wie eine geschichtswissenschaftliche Abhandlung eines Reiseberichtes. Viel Freude beim Lesen!